Es ist weitgehend bekannt, dass im Bürgerkrieg zwischen der Armee Sri Lankas und den tamilischen Rebellen der LTTE im Laufe von 18 Jahren rund 60.000 Menschen getötet wurden. Dass zwei
Aufstände von kommunistisch orientierten Jugendlichen in Sri Lanka mindestens die gleiche Anzahl an Opfern forderte - offizielle Stellen sprechen von 45.000 Toten, andere Quellen geben 90.000 bis
150.000 an - weiß in der westlichen Öffentlichkeit kaum jemand. Dies mag daran liegen, dass beim ersten Aufstand 1971 - zur Zeit des Kalten Krieges - im Westen kein Interesse daran bestand
über einen Aufstand zu berichten, der das kommunistische Lager verstärken könnte. Zumal der Aufstand in nur acht Wochen niedergeschlagen wurde. Informationen über diese Ausschreitungen
sind heute nur schwer zu bekommen. Über den Aufstand der gleichen Gruppierung von 1988 bis 1990 gibt es - zumindest in den Vereinigten Staaten - ausführlichere und fundiertere Informationen.
In Europa jedoch war die Berichterstattung über den Zusammenbruch des Ostblocks und den Krieg im ehemaligen Jugoslawien wichtiger als Berichte über aufständische Jugendliche im fernen Sri Lanka.
Der JVP Aufstand von 1971
Die JVP (Janatha Vimukthi Peramuna, zu deutsch etwa: Volksbefreiungsfront) wurde Mitte 1965 von einem ehemaligen Mitglied der Kommunistischen Partei, von Nandasiri "Rohana" Wijeweera, gemeinsam mit
weiteren Abspaltlern gegründet - und zwar nicht als offizielle Partei, sondern als politische Gruppierung. Breite Aufmerksamkeit erlangte die JVP während des Wahlkampfes 1970: Die damals regierende
UNP (United National Party) ließ zwölf Mitglieder der JVP, darunter auch Rohana Wijeweera, unter dem Vorwand verhaften, sie seien Anhänger Che Guevaras
und CIA-Agenten. Nach dem
Wechsel der Regierung wurden die JVP-Sympathisanten im Juli 1970 wieder auf freien Fuß gesetzt.
Die JVP konnte sich für eine kurze Zeit politisch frei bewegen. Sie fiel allerdings rasch wieder in Ungnade, als sie die neue, von der SLFP (Sri Lanka Freedom Party) gestellte Regierung, unaufhörlich
ermahnte, ihre Wahlversprechen zu erfüllen. Die Regierung griff die schon unter der UNP gemachten Vorwürfe auf, behinderte Veranstaltungen der JVP und ordnete an, dass deren Mitglieder weder in den
Polizei- noch Militärdienst eintreten durften. Es wurde eine Anti-Terror-Einheit gegründete und die Mannschaftsstärke der Polizei mehr als verdoppelt. Überall in den ländlichen Gegenden
Sri Lankas landeten vermeintliche JVP-Sympathisanten in den Gefängnissen.
Im September 1970 zerschlug die Armee einen Streik von Plantagenarbeitern mit brutaler Gewalt, zwei Arbeiter wurden erschossen, der JVP nahe stehende Gewerkschaftsführer ohne Prozess eingekerkert. Aufgrund
dieses und ähnlicher Ereignisse wuchs die Anhängerschar der JVP besonders im Süden und Südwesten des Landes rasch an. Für Zulauf in den Reihen der JVP sorgte auch die damals katastrophalen
Wirtschaftslage. In den Folgemonaten organisierte die JVP Massendemonstrationen und -versammlungen gegen die Regierung, an denen Tausende von Menschen teilnahmen.
Am 13. März wurde Rohana Wijeweera auf dem Weg nach Ampara verhaftet und am 18. März in das Militärgefängniss in Jaffna überführt. Am 16. März 1971 verkündete
das Kabinett, ein Komplott zum Umsturz der Regierung seitens der JVP sei aufgedeckt worden. Der Ausnahmezustand wurde ausgerufen und für die Nächte ein Ausgangsverbot verhängt. Polizei und Armee
erhielten die Befugnis willkürlich ohne Untersuchung Menschen zu verhaften und zu "entsorgen" - so die offizielle Terminologie.. Zehn Tage später verkündete die Regierung, sie hätte 300 Menschen mit Verbindungen zur
JVP in Gewahrsam genommen. Täglich berichteten die regierungstreuen Medien von Waffen und Munitionsfunden in den JVP-Reihen. Offensichtlich sollte mit solchen Berichten ein öffentliches Klima geschaffen
werden, um die unbequem gewordene politische Gruppe zu zerschlagen.
In der Nacht vom 5. auf den 6. April 1971 griffen JVP-Kader mit selbst gebauten Waffen etwa 50 Polizeistationen an. Der JVP gelang es, 30 der besetzten Stationen über mehrere Tage zu halten,
über neun Bezirke konnte sie mit Unterstützung der Bevölkerung die volle Kontrolle erlangen. Die Regierung reagierte panisch und aus Angst, Colombo selbst könne ein Angriffsziel der JVP werden,
wurden in der Hauptstadt nahezu alle Polizei- und Armeekräfte zusammengezogen. Am 6. April wurde die nächtliche Ausgangssperre gelockert und die Regierung verkündete, sie habe die Situation
unter Kontrolle und die JVP halte nur noch wenige Widerstandsnester. Am 8. April wurde dagegen die wahre Situation bekannt: Die JVP hielt mit mehreren Straßensperren die Straße von Colombo nach
Kandy sowie eine strategisch wichtige Brücke bei Alawwa besetzt, die später von der indischen Luftwaffe im Auftrag Sri Lankas angegriffen wurden. Ausländische Medien berichteten von 80.000 bis 100.000
Aufständischen, überwiegend Jugendliche und Kinder zwischen 15 und 25 Jahren, die sich mit Polizei und Armee erbitterte Gefechte lieferten. Schnell wurde klar, dass die JVP die von der
Regierung enttäuschten Massen hinter sich hatte und über starke Organisationen im Südwesten und Süden des Landes verfügte. Der Aufstand ging nach ersten Erkenntnissen der Regierung von
zehn Distrikten aus, in denen die Armee am 12. April völlige Handlungsfreiheit bekam: Anuradhapura, Polonnaruwa, Matale, Kegalle, Kurunegala, Katunayake, Ambalangoda, Galle, Matara und Hambantota.
Später wurde bekannt, dass die JVP auch zwei größere Städte hielt, Elpitiya und Deniyaya, die am 23. (Elpitiya) und 25. April (Deniyaya) von der Armee wieder zurück erobert
wurden. Am 12. April starte die JVP einen Angriff auf den Flughafen in Katunayake, über den militärische Versorgungsgüter eingeflogen wurden.
In ihrer Verzweiflung erließ die Regierung am 21. April neue restriktive Arbeitsgesetze, die das Fernbleiben von der Arbeit unter hohe Strafen stellte - in der Hoffnung, die Aufständischen so
erkennen zu können. Ein Viertel der Leute, die aufgrund dieser Gesetze wieder zur Arbeit kamen, wurden dann auch gleich verhaftet. Ein eindeutiges Indiz für die Angst der Regierung war jedoch, dass sie
massiv versuchte, für Armee und Polizei neue Rekruten zu gewinnen, wobei jedoch alle Bewerber unter 35 Jahren per Dekret nicht angenommen wurden. Die Regierung ging also davon aus, dass die gesamte
jugendliche Bevölkerung in Opposition zu ihr stehe.
Völlig unvorbereitet von dem Aufstand getroffen, bat die Regierung um internationale Waffenhilfe. Die erste Lieferung leichter Waffen erhielt sie von Großbritannien am 10. April. Es folgten sechs
Helikopter. Die USA lieferten Ersatzteile und leichte Artillerie, Indien und Pakistan stellten am 14. April Waffen und weitere sechs Hubschrauber mit Piloten zur Verfügung. Australien schloss sich am
21. April an. Bereits am 17. April hatte die UdSSR Helikopter sowie 63 Techniker in den "sozialistischen" Bruderstaat eingeflogen. Am 21. folgten sechs MIG-17, deren Piloten sich
allerdings weigerten, Einsätze zu fliegen, und sich nur dazu bereit erklärten, Ceylonesen zu Piloten auszubilden. (Alle sechs MIG-17 gingen übrigens vor Ende des Aufstands aufgrund von Pilotenfehlern
zu Bruch.) Jugoslawien lieferte Gebirgs-Artillerie. Als ob dieses Konsortium an Waffenlieferanten nicht genug gewesen wäre, stellte das kommunistische China zur Niederschlagung des kommunistischen Aufstands
150 Millionen USD an Wirtschaftshilfe zur Verfügung.
Von Anfang an war die Armee mit äußerster Brutalität gegen die JVP und vermeintliche Anhänger vorgegangen. Ab dem 10. April wurde von Massenexekutionen berichtet. Oberstleutnant Cyril
Ranatunga wurde in der International Herald Tribune vom 20. April 1971 folgendermaßen zitiert: "We have learnt too many lessons from Vietnam and Malaysia. We must destroy them completely."
Ein anderer hoher Offizier: "Once we are convinced prisoners are insurgents we take them cemetery and dispose of them." (New York Times, 25. April 1971). Die Regierung wies derartige Vorwürfe
später zurück, aber in den Wochen danach sah man Hunderte tote Körper von jungen Männern und Frauen den Kelaniya Fluss herunter treiben, viele von ihnen mit Schusswunden im Rücken. Polizei
und Armee hatten die Menschen ermordet und die Leichen in die Flüsse geworfen, um die Bevölkerung so in Angst und Schrecken zu versetzen. Massenverhaftungen, Folter, Hinrichtungen und andere Terror-Taktiken
waren an der Tagesordnung und richteten sich nicht nur gegen JVP-Anhänger. In Kataragama wurde ein junges Mädchen gezwungen, sich in der Öffentlichkeit zu entkleiden, und anschließend erschossen.
In Akuressa schoss die Polizei vor Anwohnern auf zwei junge Männer und verbrannte sie - sie starben erst durch die Flammen. In Kosgoda hingen Leichen zur Abschreckung mehrere Tage in der Öffentlichkeit.
Die Polizei, traditionell verhasst, wurde offen mit den "Tontons macoutes" von Haitis gefürchtetem Diktator Duvalier verglichen.
Ende Mai, nach heftigen schweren Kämpfen, gelang es der Armee, die Rebellen in das Hinterland zurückzutreiben und wieder die Kontrolle über das Land zu bekommen. Grund für diesen Erfolg war
einerseits die massive ausländische Unterstützung und andererseits die extreme Brutalität der Repressalien. Die Washington Post vom 9. Mai 1971 zitiert einen Major der Armee: "We have
near had the opportunity to fight a real war in this country. All these years we have been firing at dummies, now we are being put to use.".
Nach offiziellen Angaben der Regierung, wurden 12.000 Anhänger der JVP während der Unruhen getötet. In einem Interview, das Rohana Wijeweera 1972 im Gefängnis gab, bezifferte er die Zahl der ermordeten
JVP-Anhänger mit 15.000 und die der unschuldigen Zivilisten mit mehr als 30.000. Andere Quellen variieren von 8.000 bis 50.000 Toten. 25.000 Menschen, darunter die Führer der JVP, wurden verhaftet,
"buddhistisch" umerzogen und nach einem erneuten Wechsel der Regierung von der UNP im Jahre 1977 im Zuge einer Amnestie freigelassen.
Der JVP Aufstand 1988 - 1990
JVP - Vergangenheit und Gegenwart